März 2012 - Ausgabe 135
Legenden der 60er
Fuchs und die Cerberusse von Alf Trenk |
Günter Bruno Fuchs begegnete mir erstmals als achtlos hingeworfener Kleidersack neben der «Leierkasten»-Theke. Mir fiel nur auf, dass keiner der herandrängenden Kunstjünger (nicht mal die «Dicke Inge» bei ihren gewagten Biertransporten!) sich dran störten. Klaglos stiegen sie drüber hinweg. Eine gute Stunde verging, da entwuchsen dem Sack plötzlich Gliedmaßen. Mit deren Hilfe richtete er sich torkelnd auf und bedachte seine Umgebung mit unflätigen Sprüchen. -Wer ist der Typ? fragte ich die Dicke Inge.- «Kennste nich? Is doch Jünta Bruno.» - Ich war verblüfft. Aus diesem Kopf kamen so herrlich skurrile Geschichten, Grafiken, Satiren und Gedichte? Tags darauf war ich am gleichen Ort. In ihm ein neuer Gast: Ein beleibter, freundlicher Mensch mit gewinnendem Wesen, nicht zuletzt wegen seiner klaren, präzisen Wortwahl. Das sei der von gestern, inzwischen ausgeschlafen, raunte mir Inge zu. Meine Verblüffung über die neuerliche Metamorphose schwand mit dem Kennenlernen seiner Trinkgewohnheiten. Aufnehmen konnte es darin mit ihm nur der Kunsttrinker Oskar Huth, mit dem er im Sommer mehrtägige Forschungsreisen durch die Kneipenlandschaft unternahm, gewöhnlich beendet mit einem Nachtlager im Charlottenburger Schlosspark. Drohte ihnen morgens ein Parkwächter mit der Polizei, verwiesen sie ihn an ihren Freund, Professor Sperlich. Der Direktor der königlichpreußischen Schlösser und Gärten befreite sie umgehend aus den Fängen seiner Cerberusse... Fuchs gehörte jener Generation an, die zu Kriegsende noch für sinnloses Durchhalten verheizt werden sollte. Nach kurzer Gefangenschaft, einer Maurer-Lehre und Arbeit als Schulhelfer in Ost-Berlin absolvierte er ein Kunststudium an zwei westberliner Hochschulen und ging anschließend für fünf Jahre nach Reutlingen.1957 zog es ihn endgültig nach Berlin zurück. Mit R.W.Schnell, Günter Anlauf und Sigurd Kuschnerus gründete er 1959 in der Oranienstraße 27 die legendäre Galerie Zinke, die mit ihrem Ziel, die Kunst dem Arbeiter nahezubringen, ebenso scheiterte wie die folgenden Rixdorfer Drucke. Beide Stätten erwiesen sich jedoch als Keimzellen einer Kreuzberger Subkultur. Im Mittelpunkt seiner Geschichten steht zumeist der Mensch von nebenan mit seinen Problemen und Widersprüchen, Im Gegensatz zu anderen Künstlern, die der Alkohol nachlässig in ihrer Arbeit werden ließ, blieb ihm sein kritischer Verstand bis zuletzt erhalten. Der übrige Körper verweigerte seinen Dienst am 19. April 1977. • |